Von GFCD Concordia 1964 bis German Plus 2004

     

home

 

 

 

 

 

   

Editorial

… am Samstag ist die Bierkiste wieder voll.
 

Einen Mittwochabend im Jahr 2000, kurz vor Mitternacht. Ich sitze mit Dieter bei einem letzten Bier an unserem Platz in Ciputat. Er liegt auf dem Gelände einer Polizeischule im Süden Jakartas. Die anderen sind längst nach Hause gegangen. Vor Stunden schon, wie es scheint. Hinter uns liegt ein Spiel gegen ein indonesisches Team und ein langes Gespräch über Land und Leute. Vor uns liegt der vertraute Platz. Er wird gelegentlich auch als Exerziergrund genutzt und besitzt deshalb einen Flaggenmast. Es gab immer mal Ideen und Pläne, wie man ihn für die Dauer der Spiele herausnehmen und an die Seite legen könnte. Geblieben sind aber stets nur die ehrenwerten Absichten. Doch eigentlich stört er niemanden mehr. Er steht schon so lange dort, das längst kaum noch jemand dagegen rennt.

Es ist warm. Wie immer. Man kann die Sterne am Himmel sehen. Ich muss an einen Film des französischen Komikers Louis de Funes denken. Darin sitzen zwei Kohlbauern in einer lauen Sommernacht auf der Terrasse und philosophieren, begünstigt durch einige Karaffen guten Rotweins, über das Leben, als ein Raumschiff in ihrem Feld landet. Indonesien ist zwar nicht so weit weg von meiner Heimat, die ich ein knappes Jahr zuvor verlassen hatte, um hier zu leben und zu arbeiten, doch nicht weniger fremd. Ich glaube nicht, dass ich das Land je begreifen werde. Aber das scheint nicht nur mir so gehen. Sondern auch den Leuten, die schon sehr lange hier sind. Und wahrscheinlich geht es auch den meisten Indonesiern so.

Da ist es gut, wenn man ein Stück Heimat in dieser Ferne besitzt. Für den einen ist es der deutsche Stammtisch in der Taverne des Aryaduta-Hotels, für den anderen das Familienwochenende der deutschen Kirchengemeinden auf dem Puncak oder der Weihnachtsbasar der deutschsprachigen Frauenvereinigung „Die Brücke". Für mich ist es German Plus. Das ist sogar ein bisschen Mehr. Es ist auch ein Bindeglied zu Indonesien. Die Zeit, die wir mit unseren indonesischen Mitspielern verbringen, hält uns vor Augen, was das Leben für ein typisches Kind dieses wunderbaren Landes ausmacht. Lebensglück und Überlebenskampf, bescheidener Wohlstand und Existenznöte, Zukunftsperspektiven und Sackgassen liegen eng bei einander, die Grenzen sind durchlässig. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Probleme dieser Welt oder dieses Landes zu lösen, doch ein bisschen sind wir in der Verantwortung. Und im Kleinen kann man eine Menge tun. Und das schönste ist, man kann dabei so bleiben, wie man ist. Muss nicht zum von Wohltätigkeit durchdrungenen Heiligen werden. Es reicht schon, zu erkennen, dass wir uns ein bisschen kümmern müssen. Dafür bekommt man viel zurück. Und nicht erst im Himmel.

Wir reden auch über die alten Tage. Dieters Erinnerung reicht lange zurück. Bis in die 70er Jahre. War es früher besser in Indonesien, oder heute. Ohne Soeharto, von vielen verehrter Landesvater. Abgetreten, als das Land in Anarchie und Chaos zu versinken drohte. Dafür bekam es Demokratie und Dezentralisierung. Mit unserem westlichen Verständnis scheint die Antwort auf der Hand zu liegen. Wir diskutieren das Thema, Antworten haben wir nicht parat. Sicher ist nur, dass sich beim Straßenverkehr in Jakarta alle einige sind. Die einen nennen es „macet" (wörtlich: stecken bleiben), die anderen die größte Stehparty der Welt. Mögen tut es keiner. Ändern wird sich nichts.

Von einer Moschee klingt gedämpft das letzte Gebet des ausklingenden Tages herüber. Zeit, nach Hause zu gehen. Das Bier ist alle. Samstag wird wieder gespielt. Und die Bierkiste wird wieder voll sein.

Euer Alexander Stedtfeld